Paschtunen-Anführer bei Polizeiprovokation tot geprügelt
Arman, der älteste von drei Geschwistern, gehörte einer bescheidenen Familie aus Sanjawi im Distrikt Ziarat in Belutschistan, Pakistan, an. Er gehörte zum Stamm der Loni Durrani, dem Stamm der Paschtunen. Sein Vater war Fahrer. Arman erhielt seine frühe Erziehung in Sanjawi und schloss seinen Master-Abschluss in Paschtu an der Universität von Belutschistan, Quetta, ab. Während seiner Ausbildung begann Arman, saisonal in Kohlebergwerken und in Teilzeit als Schneider zu arbeiten, um sich finanziell selbst zu versorgen. Trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten begann Arman an politischen Aktivitäten der Paschtunkhwa-Milli-Awami-Partei teilzunehmen und wurde noch während seines Studiums ein Menschenrechtsaktivist. Später machte Arman auch seinen Master-Abschluss in Philosophie. Er schrieb eine Dissertation über die “Verwendung von Metaphern in der paschtunischen Folkloreliteratur gegen koloniale Feinde”, ein Thema, das seine politischen Gedanken widerspiegelte.
Mohammad Ibrahim Arman Loni, eine der freiesten und mutigsten Seelen der Paschtunischen Schutzbewegung (Pashtun Tahafuz Movement, PTM) verließ uns am 2. Februar 2019 für immer. Er wurde bei einer friedlichen und symbolischen Sitzblockaden Demonstration von der pakistanischen Polizei zu Tode geprügelt. Unser Mitgefühl gilt daher primär seiner Familie, seinen Freunden und seinen Angehörigen.
Arman Loni, der nach seiner Ermordung zur Symbolfigur der Bewegung wurde, war ein leidenschaftlicher Hochschullehrer, der den Geist und die Seele der Schüler stärkte und sie zu autonomen Denkern aufzog. Er war Professor der Paschtunischen Literatur, Poet und einer der Führer des Central Committee des Pashtun Tahafuz Movement (PTM). Seine Schwester Wrranga Loni schrieb in ihrem Blog über ihn, dass er die Freiheit, seine Familie und Fußball liebte. Nicht nur habe er ihr ermöglicht, eine Mädchenschule, die über zwei Stunden Fußweg entfernt lag zu besuchen, sondern verteidigte sie auch gegen jeden Kritiker. Sie schreibt weiter, dass er keinen Unterschied zwischen Mann und Frau gemacht habe und stark die Meinung vertrat, dass alle, unabhängig vom Geschlecht Recht auf Bildung hätten.
Arman Loni und seine Schwester nahmen an einem Sitzblockaden Protest vor dem Loralai Press Club teil. Der viertägige Sitzblockaden Protest wurde von PTM Aktivisten geführt, um ein Zeichen gegen einen Anschlag, bei dem sich ein Selbstmordattentäter der Taliban in die Luft sprengte und sowohl acht Polizisten, einen Zivilisten tötete und mehre als 21 andere Menschen schwer verletzte. Nach Augenzeugen wurde Loni von der Polizei immer wieder bedrängt und schließlich brutal und blutig zusammengeschlagen. Lonis Schwester, Wrranga, musste mit ansehen, wie ihr Bruder von mehreren Polizeioffizieren mit Waffen niedergeschlagen wurde und schließlich bewusstlos am Boden blieb. Obwohl der Krankenwagen verhältnismäßig schnell ankam, starb Loni in diesem auf den Weg ins Krankenhaus. Entgegen der Zeugenaussagen und der Aussagen der eigenen Familie Lonis, behaupteten Sprecher des Krankenhauses, dass keinerlei Missbrauchsspuren gefunden wurden und Loni an einem Herzinfarkt gestorben sei. Auch die Polizei dementiert jedwede Anwendung von Gewalt. Auch die pakistanische Regierung und Medien schwiegen größtenteils über diesen Vorfall.
Andererseits brachten die pakistanischen Senatoren Farhatullah Babar und Mohammad Ali Saif in einem Parlamentarischen Gremium neue Erkenntnisse ans Licht. Nach neuen Informationen hatte Loni schwere Kopfverletzungen, die zu Blutgerinnsel im Gehirn geführt haben, an denen er schließlich erlag.
Nach der Ermordung von Loni schlossen sich Tausende von Demonstranten aus dem ganzen Land zu einer Protestkundgebung zusammen, um ein Zeichen gegen die Ungerechtigkeit im Fall von Loni und seiner Familie, aber auch gegen die tagtägliche Ungerechtigkeit, die alle Paschtunen im Land erleiden, zu setzen. Der Protest wurde von der Paschtunischen Tahafuz Bewegung in Quetta organisiert.
Neben Männern nahmen auch zahlreiche Frauen an der Kundgebung teil. Ihnen wurde nach Angaben der Organisatoren, ein Teil des Geländes gewidmet. Ein weiterer kleinerer Teil wurde für Behinderte und ältere Menschen organisiert, die ebenfalls am Protest teilnahmen. Lonis Schwester, die auch vor Ort gewesen ist forderte von allen Paschtunen lautstark „ihre Stimmen zu erheben, da sie euch sonst zu Hunderten und Tausenden töten werden“.
Die grausame Tat ist nur eine von Vielen, die durch die Hand der Polizei im Distrikt Loralai in der südwestlichen Provinz Belutschistan, ist nur eine weitere Erinnerung an die prekäre Situation der Rechtsstaatlichkeit, des staatlichen Exzesses und den führenden Akteuren vor Ort. Der Sicherheitsapparat ist beim Umgang mit gewaltfreien Rechtsaktivisten immer wieder über seine Grenze gegangen. Die Regierung ging in diesem Fall sogar noch weiter: Sie hat zwei führenden Mitgliedern der PTM Bewegung einen Verbot der Einreise nach Belutschistan ausgesprochen, weil diese an die Beerdigung von Loni teilnehmen wollten unter der Angabe, sie wollen „unerwünschte Vorfälle vorbeugen“. Dies verdeutlicht nochmal die Willkür und die Macht der Regierung. Sie ließ nicht einmal eine ordentliche Trauerfeier für den ermordeten Loni und seiner Familie zu. Das pakistanische Militär hat einen Standard im Umgang mit Demonstranten: Gewalt, Missbrauch, Belästigung, Entführungen und außergerichtliche Morde. Es ist ein altes Konzept, dass sich als sehr schlecht erwiesen hat. Schlägt man die Geschichtsbücher (statt Twitterseiten) auf, so kann man nachlesen, dass Ostpakistan, das sich der gleichen Behandlung unterzog, zu Bangladesch wurde. Und sie würden auch wissen, dass es niemals eine gute Idee ist, Dichter, Intellektuelle und friedliebende Menschen zu töten. Denn sie, ihre Worte und Schriften, ihre Ideen und Vorstellengen, ihr Mut und ihre Gerechtigkeitssuche sind unsterblich. Sie dienen stets als Samen für die nächste Generation.
PTM ist eine Volksbewegung ohne religiösen Untertöne, die sich auf Bacha Khan, einen Paschtunischen Mitstreiter von Mahatma Gandhi beruft. Die bloße Existenz der PTM hat bereits Möglichkeiten geschaffen, die Unterdrückten der verschiedenen Ethnien in Pakistan zusammenzubringen. Die Teilnahme der Awami Workers Party (AWP) beim Protest ist der erste Schritt von vielen. Sie hat allerdings keines ihrer im Wahlkampf abgegebenen Versprechen gehalten. Nach wie vor wird der Aufbau einer geeinter und starker ArbeiterInnenpartei mit einem klaren Aktionsplan und einer klarer Linie benötigt. Die gegenwärtige Situation erfordert, dass das Paschtunische Volk und die Führung von PTM ihre Bewegung, ihre Ideen und ihre Bemühungen mit der Bevölkerung der anderen Provinzen vereint und ein gemeinsames Ziel verfolgt.